Wann werden wir Autos online kaufen können?
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Wann werden wir Autos online kaufen können?
Obwohl die Medien ständig von einer Revolution in der Automobilindustrie sprechen, scheinen Automobilhersteller und -händler kein allzu großes Interesse daran zu haben, diese voranzutreiben.
Vielmehr wurden sämtliche Veränderungen, die wir zu Gesicht bekommen, von Technologieunternehmen entwickelt und zur Verfügung gestellt – und nicht von den Marken, die wir kennen und lieben.

Natürlich gilt das nicht nur für die Automobilindustrie. Neue, agilere Unternehmen haben beinahe jede Branche in ihren Grundfesten erschüttert – und ganz nebenbei noch fast alle Alteingesessenen zur Weißglut getrieben.
Aber es ist nicht einfach, eine neue Automarke zu gründen und im Markt Fuß zu fassen. Die renommierten Marken haben einen riesigen Vorsprung. Stehen sie etwa kurz davor, überholt zu werden?
Innovationen manifestieren sich im Automobilsektor auf zwei Arten: Im Auto selbst und im Verkauf. Für Ersteres gibt es mehrere Treiber, wie zum Beispiel steigende Mautgebühren, staatliche Zuwendungen, öffentliche Ladestationen und der wohl wichtigste Punkt – Großbritanniens, Frankreichs und Indiens Pläne, bis 2040 sämtliche benzinbetriebenen Fahrzeuge abzuschaffen.
Derzeit sind etwas mehr als 100.000 Elektrofahrzeuge in Großbritannien gemeldet. Fast alle großen Marken haben Elektroautos auf den Markt gebracht. Einige, wie der Leaf von Nissan oder der Outlander PHEV von Mitsubishi gleichen im Aussehen, Fahrgefühl und den Verkaufszahlen den „echten“ Autos. Andere haben immer noch mit dem „Spielzeug-Image“ zu kämpfen.
Autonomes Fahren und Mitfahrzentralen sind zwei weitere technologische Fortschritte mit weitreichenden Auswirkungen. Sie lenken die Aufmerksamkeit weg von der Erfahrung des Autofahrers und konzentrieren sich auf das Rundherum: Den Buchungsvorgang oder die Navigationstechnologie.
Was also die Autos selbst angeht, machen wir Fortschritte. Langsame Fortschritte, die jedoch den Kaufvorgang richtig alt aussehen lassen.
Sind die Konsumenten bereit für eine Veränderung?
75 % aller Menschen, die 2016 ein Auto gekauft haben, sagten, sie würden vielleicht auch online eins kaufen. Vor allem die jüngeren Konsumenten stehen dieser Möglichkeit offen gegenüber. Dadurch wird die ganze Angelegenheit umso dringlicher. Forschungsergebnisse von Reevoo belegen, dass 57 % aller 18- bis 24-Jährigen auf jeden Fall ein Auto online kaufen oder dies in Erwägung ziehen würden.
Und warum geht dann diesbezüglich nichts weiter? Es ist nicht so, als dass es die Automobilhersteller nicht versucht hätten.
Hyundai hat Anfang des Jahres einen Online-Shop eingerichtet. Nur wenig später folgten Peugeot und Smart. Aber die Verkaufszahlen waren eher bescheiden. Im ersten Monat verzeichnete der Automobilhersteller fast 100.000 Besucher in seinem Online-Shop. Aber er hat nur 23 Autos online verkauft (und 93 % dieser Käufer standen trotzdem mit ihrem regionalen Händler in Kontakt).

Das Problem ist, dass das Online-Kundenerlebnis zu stark fragmentiert ist. Es gibt viel zu viele Variablen, und in vielen Fällen liegt es trotzdem im Interesse des Herstellers, dass potentielle Kunden einen Ausstellungsraum besuchen und mit einem Händler sprechen. Das beweist die eine Marke, für die es gut läuft – nämlich Tesla.
Tesla hat nicht nur ein revolutionäres Produkt, sondern geizt auch im Bereich Kundenservice nicht mit Innovationen. Die Technologie bleibt jedoch ganz im Sinne eines modernen Start-up-Stils unter der Oberfläche verborgen.
Tesla hat nach wie vor Ladenlokale (die sich im Besitz des Unternehmens befinden). Die Mitarbeiter, die Sie dort finden, entsprechen jedoch mehr einem Berater als dem typischen Verkäufer. Sie zeigen den Kunden stundenlang, wie und wo sie ihren Tesla wieder laden können, und wie hoch die Ladekosten im Vergleich zu Benzin sein werden. Wenn sich ein Kunde dann zum Kauf entscheidet, kann er auf Teslas Website sein maßgeschneidertes Auto im Design Studio kreieren.
Wenn auch die anderen Automobilhersteller herausfinden würden, wie man richtig online verkauft, würden sie mehr verdienen und wir weniger für unsere Autos bezahlen. Wir wären wahrscheinlich auch zufriedenere Menschen – Umfragen zeigen schließlich, dass Autokäufer einen Besuch beim Händler als langweilig, konfrontativ und bürokratisch empfinden.
HIER SIND DIE FAKTEN
Warum dauert das so lange?
72 % aller Konsumenten sagen,
dass sie vor allem deshalb kein Auto online kaufen wollen, weil sie es nicht sehen oder Probe fahren können.
Reevoo Forschungsergebnisse, 2017
Es gibt Marken aus anderen Branchen – wie z. B. ASOS – die schlaue Möglichkeiten gefunden haben, um diesen Bedenken zu begegnen. Diesen extra Schritt müssen Automobilhersteller ebenfalls für ihre Online-Käufer in Kauf nehmen.
Und wie sieht jetzt die Lösung aus?
Wenn Automobilhersteller ihre Autos erfolgreich online verkaufen wollen, müssen sie eine Möglichkeit finden, sowohl ihre physischen als auch ihre digitalen Kanäle zu kombinieren. Zu diesem Zweck sollten sie sich von anderen Branchen inspirieren lassen.
Online-Händler wie ASOS haben bereits unter Beweis gestellt, dass ein Geschäftsmodell, bei dem Kunden verschiedene Produkte ausprobieren, und das zurückschicken, was ihnen nicht gefällt, tragfähig ist. Ist es wirklich so abwegig, dass einfach ein neues Auto vor Ihrer Wohnung steht, nachdem Sie online eine Probefahrt gebucht und vielleicht noch eine Kaution hinterlegt haben? Auch Augmented Reality- und Virtual Reality-Technologien sind mittlerweile so fortgeschritten, dass eine virtuelle Probefahrt ein befriedigender „Teaser“ sein könnte.

Das Preisproblem
Während das Feilschen eine Quelle der Angst für die meisten Menschen ist, würden jedoch 37 % der Konsumenten aus den Verhandlungen aussteigen, wenn die Bereitschaft zum Handeln nicht gegeben ist.
Es ist logisch, dass ein Hersteller seine Preise weniger flexibel gestaltet als ein Händler. Das heißt, dass es vielleicht bei der Art und Weise, wie wir Autos kaufen, zu einer kulturellen Verschiebung kommen wird und die Feilscherei vollständig wegfällt. Aber die flexiblen individuellen Gestaltungsmöglichkeiten könnten einem Kunden die Möglichkeit geben, einige luxuriösen Spielereien oder Funktionen zugunsten des Preises wegzulassen. Händler, die vor allem online agieren, könnten immer noch über das Telefon oder einen Live-Chat mit ihren Kunden verhandeln. Aber in diesem Szenario müssten sowohl Hersteller als auch Händler vollkommen transparent arbeiten, um den Kunden den bestmöglichen Preis zu gewähren.
Bevor sie jedoch ihr ganzes System auf den Kopf stellen, können die Automobilhersteller noch einiges tun, um das Gefühl, ein gewisses Auto zu besitzen, auf ihre digitalen Marktplätze zu übertragen.
Die Macht einer Empfehlung
Nutzergenerierte Inhalte bieten eine großartige Möglichkeit, potentiellen Kunden zu zeigen, wie sich ihr Leben nach dem Kauf eines bestimmten Autos verändern würde. Bewertungen von echten Autobesitzern schaffen Vertrauen und geben potentiellen Kunden den nötigen Ansporn, um den Sprung zu wagen und den Kauf zu tätigen. In einem frühen Stadium der Customer Journey könnten Fotos und Geschichten über eine unvergessliche Reise oder tolle Momente mit dem Auto die Aufmerksamkeit eines neugierigen Autokäufers wecken. Wenn man Kunden um Content bittet, wird zudem auch die Beziehung zur Marke gefestigt.
Je nachdem, was die Zukunft bringen mag – die Hersteller und Händler brauchen einander, zumindest bis jetzt.
Aber um zu vermeiden, dass die Branche von Technologieunternehmen überrollt wird, muss sie sich weiterentwickeln, und zwar schnell. Nicht nur zu ihrem eigenen Wohl, sondern auch zum Wohl des Kunden.
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